Friedrichshafen: Die "Landshut" kommt nach Friedrichshafen: Wie die Boeing 737 in Brasilien zerlegt wird | SÜDKURIER

2023-03-08 17:56:34 By : Ms. ruth luo

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Von Pinto Marins – so der Name der brasilianischen Millionenstadt Fortaleza – kann man nach Rio, Buenos Aires, Lissabon oder einmal in der Woche auch nach Frankfurt am Main fliegen. Friedrichshafen steht nicht unter den angeflogenen Städten. Aber bald wird eine Ausnahme gemacht. Dann landet in Pinto Marins eines der größten Flugzeuge der Welt, eine ukrainische Antonow An-124, und öffnet ihre riesige Frachtluke. Darin verschwinden Rumpf, Tragflächen, Triebwerke und Seitenflosse der ausgebleichten "Landshut".

Es ist eine leichte Fracht für den Riesen. Denn er kann bis zu 120 Tonnen aufnehmen. Für ihn sind die etwa knapp 40 Tonnen der alten Boeing 737 ein Kinderspiel. Nach dem Start ist die Antonow über dem Atlantik und Europa rund neuneinhalb Stunden in der Luft. Dann schwebt sie über der Landebahn des Bodensee-Airports von Friedrichshafen ein – und der frühere Lufthansa-Veteran ist in seiner neuen Heimat angekommen.

Zuvor aber muss eine Gruppe von Lufthansa-Technikern den Jet verladebereit machen. Die Hauptaufgabe wird sein, die Tragflächen vom Rumpf zu lösen. "Das ist aber keine schwierige Aufgabe", sagt Matthias Rupps, Historiker und Buchautor, dem als erster der Gedanke kam, die "Landshut" als Erinnerungsort zu retten. "Schließlich ist das noch traditioneller Flugzeugbau", so Rupps gegenüber dem SÜDKURIER.

In der Tat. Die Boeing 737 in der Anfangsversion, von der die Lufthansa 1965 zunächst 21 Stück bestellte, ist nach heutigen Maßstäben kein High-tech-Flieger. Damals wurde in den Jets kaum Elektronik, geschweige denn in der Hülle leichte Kohlefaser verbaut. Aluminiumblech und Stahllegierungen reichten aus. Die Techniker müssen also – vereinfacht gesprochen – nur die Nieten am Flächen-Rumpfübergang lösen, die Kupplungen der Gestänge lösen, mit denen Querruder und Klappen der Tragflächen bewegt werden, und die Stahlbolzen herausschlagen, mit denen der Flügelholm am Rumpf befestigt ist. Die Vorbereitung der Arbeit – mit Hebekran und Haltegurten – wird vermutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als die eigentliche Demontage. Rund drei Tage sind dafür veranschlagt.

Im Frühjahr dieses Jahres hatte es nach einer ganz anderen, kleinen Lösung für die "Landshut" ausgesehen. Da landete eine Delegation des Bundeskriminalamtes (BKA) in Fortaleza. Sie interessierte sich für einzelne Teile wie Türen oder Leitwerk der Boeing. Hintergrund: Aus Anlass des 40. Jahrestags der Entführung und Erstürmung der Maschine im kommenden Oktober sollte mit Originalteilen in der Heimat an den legendären Einsatz der Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9 erinnert werden. Dabei soll es um einen Preis von rund 25 000 Euro gegangen sein. Es kam anders – und günstiger. Das Auswärtige Amt bekam schließlich das ganze Flugzeug zu einem Preis von 75 936 brasilianischen Real – umgerechnet rund 20.000 Euro. Ein Schnäppchen zum Schrottpreis. Die Brasilianer hätten auch viel mehr verlangen können.

Nicht ganz so billig werden Demontage und Überführung an den Bodensee. Nach Angaben der "Bild"-Zeitung – die sich laut Insidern als Sponsor eingebracht und die Kosten vorgestreckt haben soll – liegt der Preis bei rund zwei Millionen Euro. Dafür geht jetzt alles ganz schnell: Schon zum Jubiläum der Befreiung am 18. Oktober soll die "Landshut" vor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier neben dem Dornier-Museum präsentiert werden. Man könnte auch sagen: das Projekt wurde auf den kleinen Dienstweg gesetzt. Denn wäre man den offiziellen Weg gegangen, so ist von Eingeweihten zu erfahren, hätte das Außenamt den Auftrag für Demontage und Transport europaweit ausschreiben müssen. Das hätte monatelange Verzögerungen bedeutet. So aber wartet auf Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Blitzlichtgewitter, wenn er die "Landshut" noch im August in Friedrichshafen begrüßt. Eine schöne Kulisse und ein Geschenk für den Wahlkämpfer.

Die Lösung der Kostenfrage für den Transport nach Friedrichshafen ist indes nur der Anfang auf der großen Rechnung. Vermutet wird, dass die Lufthansa in die Tasche greift, um die Boeing äußerlich wieder zum alten Kranich-Flieger umzuspritzen. Wer den Umbau zum musealen Erinnerungsort bezahlt und irgendwann eine Halle für den Flieger spendiert, ist offen. Klar ist: Das Dornier-Museum sieht sich dazu nicht in der Lage. Das Auswärtige Amt äußert sich auf die SÜDKURIER-Anfrage recht allgemein: "Es soll eine Spendensammlung geben, die gemeinsam von der Dornier-Stiftung, der Lufthansa, der Bild-Zeitung und dem Auswärtige Amt initiiert wird." Die "Landshut", heißt es weiter, sei "gelebte Geschichte für alle Menschen in Deutschland". Daher wünsche man sich, dass sie ein "Gemeinschaftsprojekt der Deutschen wird". Wer etwas spende, so das Ministerium, habe "Anteil an diesem wichtigen Projekt".

Also eine Art Nationalspende aller Deutschen für die Bodensee-"Landshut"? Das hätte für Friedrichshafen eine gewisse Tradition: Als Ferdinand Graf von Zeppelin im August 1908 mit LZ 4 erneut ein Luftschiff verloren hatte, half ihm die "Zeppelinspende des deutschen Volkes" wieder auf die Beine.

Vermutlich wird es dieses Flugzeug aus russisch-ukrainischer Herstellung sein, das die "Landshut" nach Deutschland bringt. Es ist das größte in Serie gebaute Frachtflugzeug der Welt. Der fast 70 Meter lange Transporter kann den 28,65 Meter langen Rumpf sowie die 28,35 Meter langen Tragflächen der Boeing 737 problemlos aufnehmen. Die An-124, die eine Nutzlast von 120 Tonnen tragen kann, ist mindestens schon einmal auf dem Bodensee-Airport in Friedrichshafen gelandet. Mit dieser Maschine wurden nach dem Überlinger Flugzeugunglück im Juli 2002 die Leichname der Insassen der abgestürzten Tupolew nach Baschkirien heimgeflogen.

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