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Wolfgang Hilbig 1984 in Leipzig Bild: Connewitzer Vlgsbuchhdlg
War es Verzweiflung? War es Chuzpe? Wie Wolfgang Hilbig zum Dichter wurde. Ein Essay zur Erinnerung an den bereits 2007 gestorbenen Schriftsteller.
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M it Wolfgang Hilbig war kein Staat zu machen. Und medial konnte man ihn ebenfalls nicht verwerten. Es war fast unmöglich, den scheinbar bodenständigen, ein warmes Sächsisch intonierenden und zurückhaltenden Mann mit den wortgewaltigen, rauschhaften Texten zusammenzubringen, die er geschrieben hatte.
Es entsprang keiner Strategie, dass Hilbig öffentlich wenig über seine Texte sagte. Er hat oft beschrieben, wie er von früh an nur durch die Literatur, durch das Lesen und das Schreiben existierte. Als er Ende der fünfziger Jahre den Beruf des Bohrwerksdrehers erlernte, kaufte er sich gleich von seinem ersten Lehrlingsgehalt eine Gesamtausgabe des romantischen Dichters E. T. A. Hoffmann, der gern mit grotesken Verzerrungen arbeitete. Das entsprach dem Lebens- und Weltgefühl des jungen Wolfgang Hilbig am ehesten.
Er war im thüringischen Meuselwitz zwangsläufig zu einem Arbeiter geboren worden, der industrielle Braunkohletagebau beherrschte den Alltag. Die Spannung zwischen der proletarischen Existenz, die in der DDR durch die sozialistische Überhöhung des Arbeiters noch besonders gefärbt wurde, und der Lektüre von Schriftstellern aus einer zeitlos anmutenden Vergangenheit definierte seine Person von Anfang an. Dazu kam die Atmosphäre in seiner Familie. Hilbigs aus Ostpolen stammender Großvater Kasimir Startek sprach nur schlecht Deutsch und hielt Lesen und Schreiben für unnütz. Diesem Großvater gegenüber – der Vater galt seit dem Krieg als vermisst – stand der Dichter ständig unter Rechtfertigungsdruck. Im späten Roman „Das Provisorium“ (2000) schreibt Hilbig: „Die Hölle dieser Kindheit war wortlos, stumm, ihre Eigenschaft war das Schweigen. Und ich begann diese schweigende Hölle mit Wörtern zu füllen ... mit einem winzigen Teelöffel, dem Löffelchen eines Kindergeschirrs, halb so groß wie normal, begann ich Wörter in eine ungeheure leere Halle des Schweigens zu schaufeln.“
„Schaufeln“, dieses Verb kommt nicht von ungefähr. Es hat für Hilbig eine existenzielle Dimension, es ist die Tätigkeit des Braunkohlearbeiters und Heizers – beides Berufe, die er selbst ausübte. Er stellt mit diesem Schaufeln eine unmöglich scheinende Verbindung her, zwischen dem untergründigen Schuld- und Schamgefühl gegenüber dem Großvater und der Literatur, die ihm das Überleben zu garantieren scheint. Hilbig beschreibt an vielen Stellen seines Werks suggestiv, wie er seinen oft mühsam ergatterten, kostbaren Lesestoff in meist vergilbten Exemplaren traumhaft auf dieselbe Weise in sich hineinschaufelt wie in seiner Tätigkeit als Heizer im Industriekombinat die Kohlen in die Öfen.
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