Schmale innerstädtische Lücke nachhaltig und wirtschaftlich schließen mit gutem Design
Fassadenerker, in den Hof geschobener Erschließungskern. Vorgefertigte Holzelemente, recycelbares Aluminiumblech für Außenhaut.
Dipl.-Ing. Eric Sturm | be
Im Berliner Wohnviertel Moabit/Tiergarten blieb nach der Fertigstellung eines Nachkriegsgebäudes aus den 1950ern eine Baulücke frei, die mit dem Neubau von rundzwei Architekten jüngst geschlossen wurde. rundzwei ist ein Architekturbüro der beiden Gründer Andreas Reeg und Marc Dufour-Feronce in Berlin-Charlottenburg. Für rundzwei stehen Research und Design als zwei zentrale Parameter für ein fundiert nachhaltiges und modernes Architekturverständnis, bei dem Raum, Materialität, Ressourcen, lokale Geschichte und natürliche Umgebung mit anspruchsvollem Design verbunden werden.
Sowohl die unterschiedlichen Fassaden als auch die planerischen Eingriffe zur Flächenmaximierung prägen das Erscheinungsbild des neuen Wohngebäudes: Straßenseitig vergrößert ein geschwungener Erker die Wohnungen. Hofseitig haben Marc Dufour-Feronce und Andreas Reeg den Treppenkern und den Fahrstuhl nach außen in den Hof hinein verschoben. So konnten die Architekten auf dem relativ kleinen Grundstück die maximal mögliche Nutzfläche generieren. Dieser pragmatische Umgang mit dem größten baurechtlich machbaren Gebäudevolumen wurde in Grundrissen und Fassaden architektonisch konsequent weiterentwickelt.
Vom Erdgeschoss bis zum 4. Obergeschoss ermöglicht die ungewöhnliche Geometrie komfortable Grundrisse für neun 2-Zimmer-Mietwohnungen mit jeweils ca. 55 m² Nutzfläche. Die loftartigen Koch-, Ess- und Wohnbereiche verbinden Nord- und Südfassade. Querlüftung und Ausblicke in beide Richtungen sind dadurch möglich. Alle Wohnungen verfügen über direkt an das Schlafzimmer anschließende Bäder und einen Hauswirtschaftsraum.
Im 5. und 6. Obergeschoss liegen zwei Maisonette-Mietwohnungen mit jeweils 96 m² Nutzfläche. Hier hat der zum Hof hin orientierte Koch-, Ess- und Wohnbereich eine doppelte Raumhöhe. Über den Fahrstuhl sind alle Wohnungen stufenlos erreichbar. Auch im Inneren sind alle Wohneinheiten (bis auf die Maisonette-Wohnungen) komplett altersgerecht schwellenfrei ausgeführt.
Die symmetrisch und streng gerastert angelegte Straßenfassade ist mit einer nahezu flächenbündigen Außenhaut aus gewelltem Aluminiumblech überzogen. Sie zieht sich als natürliche, fließende Form über den zurückspringenden Eingangsbereich im Erdgeschoss und den elegant aus der Fassade gewölbten Erker darüber. Alle Fenster zur Straße hin können mit Klappläden verschlossen werden. Das Aluminiumblech von deren Außenseiten ist perforiert, so dass das Tageslicht auch im geschlossen Zustand durch die Fenster fällt und der Blick nach draußen weiterhin möglich ist. Das gelochte Wellblech wurde von Schütte Dach und Wandsysteme gefertigt.
Nach Süden zeigt „Der Eisberg“ ein ganz anderes Gesicht: Eine offene Gerüststruktur trägt und umschließt den in den Hof geschobenen Treppenkern und Fahrstuhl sowie die langgestreckten Balkone vor allen Wohnungen. Durch bodentiefe Fenster dringt die Sonne im Winter weit in die Räume ein, im Sommer schützen die durchgehenden Balkonflächen vor zu viel Sonneneinstrahlung, ohne die Blickverbindung zum hellen Innenhof mit altem Baumbestand zu beeinträchtigen. Im Dachgeschoss sorgt das extensive Gründach für einen Kühlungseffekt während der heißen Monate des Jahres.
Der „Eisberg“ ist als Holzskelettbau mit tragenden Vollholzdecken, Fassadenelementen in Holztafelbauweise, Kalksandstein- und Stahlbetonwänden sowie Stahl- und Holzstützen realisiert. Soweit wie möglich wurden Holzfertigteile eingesetzt, um den Bauablauf zu beschleunigen und die Ausbauarbeiten so gering wie möglich zu halten. Durch die statischen Aufbauten der Wände und Dächer erreicht das Gebäude den Niedrigenergie-Standard (KfW 55). Die Decken und Innenwände aus Brettsperrholz BSP lieferte Stora Enso, die Holzgeschossdecken sind von Züblin-Timber.
Die feuchtigkeitsabsorbierenden Holz- und Kalkputzoberflächen der Konstruktion und Innenwandbekleidungen sind offenporig und tragen so zur natürlichen Klimatisierung der Raumluft bei. Dies verringert eventuelle spätere Bauschäden durch nicht ausreichende manuelle Lüftung der Mieter. Eine Fernwärme-Heizungsanlage versorgt die Fußbodenheizungen der Wohneinheiten. Der Luftwechsel erfolgt automatisiert und geräuscharm in den Bädern und Küchen sowie durch feuchtegesteuerte Nachtstromöffnungen in den Fenstern. Dadurch kann auf eine komplexe Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verzichtet werden.
Marc Dufour-Feronce und Andreas Reeg legen großen Wert auf einfache, möglichst lokal produzierte und gleichzeitig funktionale Materialien: Anstelle von Glas wurden die Balkonbrüstungen und Treppenläufe mit einfachen Edelstahlnetzen gesichert, der Fahrstuhl mit einer Streckmetallverkleidung (Mevaco) versehen und leuchtend goldgelb lackiert.
Statt aufwändiger Bodenbeläge entschieden sich die Berliner Architekten für Sichtestrichböden in allen Wohnungen. Die Holzdecken aus Fichtenholz ließen die Planer ebenfalls unverkleidet, lediglich weiß geölt – perfekt abgestimmt auf die bodentiefen Holz-Aluminium-Fenster auf der Hofseite und die hölzernen „Sitzfenster“ an der Straßenseite.
Bis auf Estrich und Putzflächen sind in dem Wohnhaus alle Baumaterialien nur mechanisch befestigt, um ein späteres Recycling zu erleichtern. Im Idealfall lassen sich Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit so optimal verbinden wie bei dem gewellten Aluminiumblech der weißen Außenhaut an der Nordfassade: Es ist kostengünstig, hat einen hohen Recycling-Anteil und kann zu 100 % wieder verwertet werden.
Architektur: rundzwei Architekten BDA, Berlin Projektteam rundzwei: Luca Di Carlo, Marc Dufour-Feronce, Johann Göhler, Miriam Lopez, Andreas Reeg, Mathias Rühl www.rundzwei.de
Tragwerksplanung : ifb frohloff staffa kühl ecker Beratende Ingenieure PartG mbB, Berlin www.ifb-berlin.de
Energieplanung/KfW: Energieberater Land Brandenburg ELB, Brandenburg www.energieberater-brb.de
Bodengutachten: Geologe Andreas Zill, Berlin
TGA-Planung: ITV GmbH (Ingenieur Team Versorgungstechnik GmbH)
Elektro-Planung: Planungsbüro Oliver Kautz GmbH
Bauleitung: ZRS Architekten und Ingenieure GmbH, Berlin www.zrs.berlin/de
Dipl. Ing. Architekt Andreas Reeg: „Der Begriff Eisberg bezieht sich zum einen auf das Erscheinungsbild und zum anderen auf die nachhaltige Bauweise des Objekts, welches durch die Holzbauweise und Materialwahl hohe Mengen CO2 speichert und somit indirekt zum Erhalt von Eisbergen beiträgt.“
Die feuchtigkeitsabsorbierenden Holz- und Kalkputzoberflächen der Konstruktion und Innenwandbekleidungen sind offenporig und tragen so zur natürlichen Klimatisierung der Raumluft bei. Dies verringert eventuelle spätere Bauschäden durch nicht ausreichende manuelle Lüftung der Mieter.
Bis auf Estrich und Putzflächen sind in dem Wohnhaus alle Baumaterialien nur mechanisch befestigt, um ein späteres Recycling zu erleichtern.
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