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Kebag – umweltfreundliche Alternative zur Alufolie?
Kebag – umweltfreundliche Alternative zur Alufolie?
Alufolie als Dönerverpackung. Das ist praktisch und billig. Doch die Folie belastet Mensch und Natur. Ein bayerisches Start-up hat eine Alternative gefunden. Könnte die "Kebag" langfristig den Takeaway-Markt revolutionieren?
Bilal und Cihan Dalgic sind mit dem Döner groß geworden. Ihr Vater hat einen Laden in Weilheim, da waren sie schon als Kinder mit dabei. Der Döner kommt in Alufolie, wenn die Kunden ihn zum Mitnehmen bestellen, das war bisher ganz normal für sie.
Inzwischen sind Bilal und Cihan Mitte dreißig. Die Unmengen von Alu-Müll, die bei der Verpackung der Döner jeden Tag entstanden, wollten sie nicht mehr hinnehmen. Auch Kunden fragten nach einer umweltfreundlicheren Verpackung. Also setzten sich die Brüder hin und suchten nach einer Alternative.
Das Ergebnis nach eineinhalb Jahren Tüfteln, Ausprobieren und Verhandeln mit Verpackungsproduzenten: eine sechseckige Dönertasche aus Papier. Sie soll umweltfreundlich sein und alle Vorteile der Alufolie haben. Das bedeutet: Sie soll warm- und dichthalten. "Wir haben eine innovative und nachhaltige Dönerverpackung erfunden", sagen Bilal und Cihan Dalgic.
Im praktischen Test schneidet die Tüte tatsächlich gut ab. Sie lässt sich leicht befüllen und kann dann aufgeklappt und vergrößert werden. Der Döner rutscht hinein, wird oben zugeklebt und fertig. Nach einer Stunde zeigt sich: Die Sauce dringt nicht durch. Und das Essen bleibt genauso warm wie in der Alufolie. Praktisch ist die Kebag auch: Wer den Döner verzehren will, kann mit einer kurzen Bewegung die Haube abtrennen und hineinbeißen.
Kebag – umweltfreundliche Alternative zur Alufolie?
770 Tonnen Verpackungsmüll entsteht deutschlandweit pro Tag allein durch Takeaway-Produkte, sagt die Verbraucherzentrale Berlin. Das ist das Gewicht von rund 120 ausgewachsenen Elefanten. Alufolie ist, was ihre Umweltbilanz betrifft, besonders schlimm. Aluminium wird aus dem Erz Bauxit gewonnen, das im Tagebau aus der Erde gefördert wird. Bei der Verarbeitung entsteht sogenannter Rotschlamm, der giftig ist. Die Produktion verursacht zudem viel CO2. Wird Alufolie für die Verpackung von Takeaway-Lebensmitteln verwendet, landet sie meist im Restmüll und wird nicht recycelt.
Alufolie als Verpackungsmaterial für Döner ist auch gesundheitlich bedenklich. Die Verbraucherzentralen melden, dass sich durch feuchte, saure und salzhaltige Lebensmittel Aluminium aus der Folie lösen und in das verpackte Essen übergehen kann. Akut ist das nicht gesundheitsschädigend, Betroffene zeigen keine Vergiftungserscheinungen. Das Aluminium kann sich aber im Lauf der Zeit im Körper ansammeln. Das geschieht vor allem in der Lunge und im Skelettsystem. Dadurch steigen die Risiken für Nerven- und Nierenerkrankungen.
All das soll die Kebag verhindern. Aber kann sie es auch? Was den CO2-Verbrauch angeht, so schneidet die Papiertüte deutlich besser ab. Lediglich 1 Gramm CO2 pro Gramm Papier entsteht bei seiner Produktion, während bei Alufolie 8 bis 9 Gramm CO2 pro Gramm Folie entstehen - fast zehn Mal so viel. Reißfestigkeit und Fettundurchlässigkeit der Kebag machen uns aber misstrauisch. Kann reines Papier das leisten?
Wir lassen die Tüte von Prof. Sven Sängerlaub, Professor für Verpackungstechnik an der Hochschule München, prüfen. Sein Ergebnis: Dass die Tüte dichthält, rührt von der Art der Pressung her, der sogenannten Kalandrierung. "Die Hohlräume sind herausgepresst worden und eine höhere Dichte bedeutet auch eine höhere Fettdichtigkeit", so Prof. Sängerlaub. Dieses Papier sei in der Herstellung aufwändiger als Schreibpapier, die Tüte benötige aber keine zusätzliche Beschichtung. Sie bestehe wirklich überwiegend aus Papier. Lediglich der Streifen, mit dem die Kebag verschließbar ist, ist mit einer dünnen Schicht Klebstoff versehen.
Bilal und Cihan Dalgic haben ein Start-up gegründet und ihre Kebag im November 2021 auf den Markt gebracht. Schon 50 feste Kunden haben sie gewonnen. Einer von ihnen ist Volkan Alkan. Seinen Laden hat er in München am Schwabinger Tor. Die Kebag bezeichnet er als "Revolution des Dönergeschäfts". Er benutzt sie nicht nur, weil sie die Umwelt schont. Die neue Verpackung erleichtere dem Personal auch die Arbeit. Es gehe schneller, den Döner in die Kebag zu stecken, als ihn mit Alufolie zu umwickeln. Und die Kunden seien auch zufrieden, sagt Alkan. Sie schätzten den Umweltaspekt und die praktische Handhabung der Tüte.
In der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs hat Sazan Mustafa ihren Dönerladen. Sie kennt die Kebag. Eine Döner-Imbisskette hier in der Gegend benutze die. Selbst will sie sie aber momentan nicht einführen. Alufolie sei nach wie vor das billigste Verpackungsmaterial, erklärt sie. Schon die einfachen Papiertüten für Döner seien deutlich teurer als die Alufolie.
Wir rechnen nach: Wenn die Kosten für die Kebag voll auf die Kunden umgelegt würden, wäre der Döner nur wenige Cent teurer als bisher. 7 Cent kostet eine Kebag netto im Einkaufspreis für Händler.
Bislang können Bilal und Cihan Dalgic von ihrer Kebag noch nicht leben, obwohl die Vorteile gegenüber der herkömmlichen Verpackung in Alufolie gewaltig sind. Sie sind aber auf dem besten Weg dorthin. Den deutschen Verpackungspreis haben die Brüder mit ihrer Tüte bereits gewonnen, und sie sind für den "Green Product Award" nominiert. Wenn sie dieses Rennen ebenfalls machen, dürfte das ihr Start-up weiter beflügeln.
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