Sensoren in Fahrzeuggetrieben sind auf Trägerplatten aus Aluminium aufgebracht. Um die darauf applizierten Flexfolien mit elektrischen Leiterbahnen nicht zu beschädigen, dürfen die Platten keine scharfen Kanten oder Flitterablagerungen aufweisen. Eine Studie zeigt, wie eine flitter- und gratfreie Bearbeitung möglich ist.
Viele Komponenten in Fahrzeugsystemen sind mit Elektronik und Sensorik zur Überwachung von Betriebszuständen ausgestattet. So wird zum Beispiel in Automatikgetrieben der Schaltvorgang mit Sensoren überwacht. Diese Sensoren befinden sich auf speziellen Sensorträgerplatten aus Aluminium, auf die sogenannte Flexfolien mit elektrischen Leiterbahnen zur Ansteuerung der Sensoren appliziert werden. Diese Trägerplatte darf dabei keine scharfen Kanten aufweisen, um die Flexfolie nicht zu beschädigen. Da jedoch bei der Herstellung der Trägerplatte durch den Scherschneidprozess ein Schnittgrat an der Platte entsteht, ist eine aufwendige Nachbearbeitung mittels Wasserstrahlentgraten erforderlich.
Eine weitere Problematik bei der Verwendung von Aluminiumblech als Sensorträgerplatte sind Flitterablagerungen auf dem Bauteil. Als Flitter werden kleine Aluminiumteilchen bezeichnet, die durch Kaltaufschweißungen entstehen oder sich beim Schneiden aus der Schnittfläche lösen. Diese Flitter können zu Kurzschlüssen in den Leiterbahnen und so zu einem Funktionsausfall der Sensoren führen. Besonders problematisch ist dies im Betrieb des Fahrzeugs. Durch die Erschütterungen im späteren Einsatz der Trägerplatte im Getriebe ist es möglich, dass auf dem Bauteil vorhandene Flitter erst während des Betriebs Kurzschlüsse verursachen und so einen kompletten Wechsel des Getriebes erforderlich machen. Um dies zu vermeiden, müssen diese Sensorträgerplatten derzeit nach dem Scherschneiden in einem aufwendigen Prozess gewaschen werden.
Die Swoboda KG, ein weltweit tätiges Familienunternehmen für Komponenten im Bereich Automobilelektronik, hat sich das Ziel gesetzt, die aufwendige Prozesskette zur Herstellung der Sensorträgerplatten zu vereinfachen und gleichzeitig die Funktionssicherheit dieser Bauteile zu erhöhen. In Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft Umformtechnik (FGU) in Stuttgart und dem schweizerischen Werkzeughersteller Unipress AG wurden neue technologische Möglichkeiten einer grat- und flitterfreien Schneidbearbeitung untersucht.
Durch die langjährige Erfahrung der FGU mbH auf dem Gebiet der Verfahrensentwicklung zum gratfreien Schneidverfahren Konterschneiden lag es nahe, dieses Verfahren mit Maßnahmen zur Flitterreduktion zu kombinieren. Dafür wurde ein Versuchswerkzeug zur Herstellung von Musterteilen mit einfacher Lochgeometrie aufgebaut. In einer ersten Versuchsreihe wurden zunächst die Möglichkeiten zur Flitterreduktion erprobt und anschließend eine Parameterstudie zum Konterschneiden durchgeführt, bis abschließend die Maßnahmen zur Flitterreduktion auf das Konterschneiden übertragen wurden.
Für die Flitterentstehung sind drei wesentliche Ursachen zu nennen. Zum einen entstehen Kaltaufschweißungen an den Werkzeugaktivelementen aufgrund von Adhäsion. Diese lassen sich vermeiden, indem die Reibungsarbeit zwischen den Schneidstempeln und der metallblanken Schnittfläche verringert wird. In einer Versuchsreihe konnte nachgewiesen werden, dass durch das Verwenden von DLC-beschichteten und polierten Stempeln und den Einsatz einer Beölung (reduzierte Reibungszahl) sowie einer verringerten Eindringtiefe (geringere Reibfläche) keine Kaltaufschweißungen entstehen (Bild 2). Als geeignetes Schmiermittel wird dabei das Umformöl Multidraw ALF4 von Zeller+Gmellin angewendet.
Die zweite Ursache für Flitterbildung stellen Ausbrüche aus der Schnittfläche dar. Vor allem beim untersuchten 3-mm-Aluminiumblech bildet sich durch das Nachschneiden von Bruchflächenspitzen häufig ein zweiter Glattschnittanteil (Bild 3). Durch Optimieren der beiden Parameter Schneidspalt und Schneidkantenverrundung lässt sich eine gleichmäßige Schnittfläche erzielen und somit ein Ausbrechen des sekundären Glattschnittanteils verhindern. Die definierte Kantenverrundung der Schneidstempel wurde auf einer Tauchpolieranlage der OTEC Präzisionsfinish GmbH durchgeführt.
Die dritte Ursache für die Flitterentstehung sind abgerissene Schnittgrate, was bei dem hier untersuchten Konterschneidprozess auszuschließen ist. Das Konterschneiden wurde durch einen zweistufigen Prozess realisiert, wie ihn die Skizze in Bild 4 darstellt. Zunächst wird dort das Blech in der Anschneidstufe von unten angeprägt und in der Ausschneidstufe in die gegenläufige Richtung ausgetrennt. Für ein optimales Schnittergebnis muss eine sehr genaue Abstimmung der Werkzeugdurchmesser der An- und Ausschneidstufe erfolgen. Der entscheidendste Einflussfaktor ist hierbei der Durchmesser des Anschneidstempels, da dieser den Schneidspalt in der Ausschneidstufe definiert. Wie beim Scherschneiden weist der Schneidspalt den größten Einfluss auf die Schnittflächenqualität auf. Um die optimalen Durchmesserverhältnisse auszuwählen, wurde zunächst eine ausführliche Parameterstudie durchgeführt.
Diese Untersuchung baut auf das in Bild 1 dargestellte Werkzeug für den Bruderer-Stanzautomaten BSTA 280 auf. Dieses dient der Verfahrensentwicklung im Labormaßstab. Die eingebrachten Rundlöcher mit einem Durchmesser von < 10 mm werden in der zweiten und dritten Stufe eingebracht. Wie schon Versuche mit konventionellem Scherschneiden zeigen konnten, wirkt sich eine DLC-Beschichtung sehr positiv auf die Flitterentstehungsmechanismen aus. Folglich werden auch hier die Stempel mit dieser Beschichtung versehen. Die hohen Anforderungen an die Positionierung beim Ausschneiden machen den Einsatz von Fanglöchern nötig. In einem letzten Schritt wird das Loch zerteilt, um eine Beurteilung der resultierenden Schnittflächenqualität zu erleichtern.
Für die Parameterstudie wurden zunächst im vorgestellten Werkzeug verschiedene Durchmesser eingestellt und jeweils etwa 20 Butzen und gelochte Teile zur Bewertung aufgefangen. Die Bewertung erfolgte qualitativ. Als optimal zeigte sich eine geringe Eindringtiefe beim Anschneiden und ein großer Schneidspalt in der Ausschneidstufe. Mit diesen Parametern konnte eine Schnittfläche, wie sie Bild 5 darstellt, erzielt werden. Das Resultat zeigt einen ausreichenden Glattschnittanteil von der Ausschneidstufe und eine saubere Bruchfläche, was sich positiv auf die Flitterreduktion auswirkt. Die kleine Glattschnittfläche an der Unterseite ist ausreichend für eine gratfreie Fertigung und beeinflusst das Ausschneiden nur wenig.
Die Qualifizierung für einen flitterfreien Prozess erfolgte über einen Dauerversuch mit 5000 Löchern. Insbesondere mussten anhaftende Flitter im Lochkanal ausgeschlossen werden, da sich diese nicht erkennbaren Flitter erst nach der Montage lösen und zu Ausfällen im Getriebe führen können. Mit den in der Parameterstudie als optimal identifizierten Parametern konnten im Dauerversuch keine Flitter nachgewiesen werden.
Die Kooperation zwischen Anwender, Werkzeugbauer und Forschungsstelle konnte in diesem Projekt den sensiblen Konterschneidprozess von einer weichen Aluminiumlegierung für den Praxiseinsatz qualifizieren. Durch eine Parameterstudie zur Auswahl der Durchmesserverhältnisse und den Einsatz einer polierten DLC-Beschichtung der Stempel konnte an der Forschungsgesellschaft Umformtechnik mbH ein flitter- und gratfreies Schneiden realisiert werden. Diese Randbedingungen werden nun in einem nächsten Schritt in das Serienwerkzeug seitens der Unipress AG integriert und für die kostenoptimierte und prozesssichere Fertigung der Sensorträgerplatten für die Swoboda KG eingesetzt. MM
* Marcel Gall und Christoph Wörz sind Mitarbeiter der Forschungsgesellschaft Umformtechnik mbH in 70176 Stuttgart
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