Die 21. SPE Automotive Award Night ist geprägt von hoch innovativen Kunststoffteilen und Komponenten – die Besonderheiten der Preisträger im Überblick.
Zwei Tage vor Beginn der K 2022 in Düsseldorf präsentiert die Internationale Gesellschaft für Kunststofftechnik / SPE Central Europe im Rahmen einer glanzvollen Award Night im Crowne Plaza Hotel Neuss die Gewinner der Automotive Awards 2022. Mit 45 Bauteilen, von denen 43 zum Wettbewerb zugelassen sind, ist ein neuer Einreichungsrekord zu verzeichnen. Entsprechend groß ist die Spannung bei den Vertretern der einreichenden Unternehmen, welche Teile die begehrten Preise gewinnen werden.
Der Abend beginnt mit der Vorstellung der in sieben Kategorien eingereichten Teile und Komponenten. Fachbereichskoordinator Thilo Stier sowie die Jury-Mitglieder Joachim Melzig, BMW, Dr. Matthias Theunissen, Lanxess Deutschland, und Dr. Thomas Wolff, Kunststoff-Zentrum Leipzig, lenken die Aufmerksamkeit der Gäste immer wieder auf Details, die ohne Erläuterung zumeist gar nicht wahrgenommen würden. Bei einigen Teilen sind alle überrascht von der letztendlich einfachen, weil logischen Lösung – nur der Weg dorthin ist oftmals alles andere als einfach.
Bernard Rzepka, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Kunststofftechnik e. V. / SPE Central Europe, würdigt in seiner Begrüßungsansprache den kürzlich verstorbenen Peter Egger, der über viele Jahre engagiertes Mitglied der Jury des Automotive Awards war.
Danach beginnt der von den Anwesenden heiß ersehnte Teil der Award Night. Als Erstes erhalten alle Einreichungen, die sich nicht ganz vorn platzieren konnten, ihre Nominierungsurkunden aus den Händen von Sponsor Matthias Grafe. Thilo Stier betont, dass in diesem Jahr erneut Nuancen darüber entschieden haben, welche Einreichungen den Sprung auf die Plätze 1 bis 3 bzw. 1 bis 5 ihrer Kategorie geschafft haben. Alle Teile zeichnen sich durch ein überdurchschnittlich hohes Niveau aus.
Die Spannung unter den Einreichern, die jetzt wissen, dass sie es unter die ersten ihrer Kategorie geschafft haben, steigt. Thilo Stier stellt jeweils die Finalisten vor. Bei seinen kurzen Erläuterungen kristallisiert sich heraus, dass viele der Innovationen auf anwendungsspezifisch komponierten Werkstoffformulierungen basieren und/oder die Verarbeitungsprozesse vom ersten bis zum letzten Schritt grundlegend überdacht und optimiert worden sind. Die begehrten Preise überreicht jeweils ein Vertreter des Unternehmens, das den betreffenden Award sponsert.
In der Kategorie Body Interior, gesponsert von Akro-Plastic, trägt die Stützstruktur für die Mittelkonsole des Seat Cupra Born von KDK Automotive den Sieg davon. Die EMS-Chemie hat dafür ein spezielles teilkristallines und teilaromatisches Polyamid mit 50 % Glasfaserverstärkung entwickelt, das einerseits sehr hohe Fließlängen und andererseits ein homogenes, tiefschwarzes Erscheinungsbild ermöglicht. Die hohe Glasfaserverstärkung nimmt die statischen Kräfte auf, die durch das Gewicht der Verkleidungsteile sowie das Abstützen der Passagiere entstehen.
Platz zwei belegt eine Innentürentriegelung von CT Automotive, die das elektrische Öffnen der Tür im Normalfall und das mechanische Öffnen im Notfall in einem intuitiv zu bedienenden Bauteil kombiniert. Auf dem dritten Platz landet der 90-Grad-Türfeststeller von PHA Co. Ltd., dessen Stahlkern mit einem Polyamid 46 umspritzt ist, um ein reibungarmes Öffnen und Schließen dauerhaft zu gewährleisten.
Den Award in der Kategorie Body Exterior überreicht Georges Houtappel von Solvay für einen hybriden Bremsscheibenschutz, der mittels Conexus-Technologie hergestellt wird. Dabei handelt es sich um ein spezielles Fügeverfahren, das Thermoplaste und Duroplaste stoffschlüssig miteinander verbindet. Eine Koppelfolie wird in einem isothermen Heißpressverfahren mit dem Duroplast verbunden und anschließend mit einem biobasierten Polyamid hinterspritzt. Entwickelt wurde das Bauteil von KTM Technologies in Zusammenarbeit mit Altendorfer Kunststofftechnik, Alba Tooling & Engineering, Bcomp, Akro-Plastic, dem Ingenieurbüro Zahler und dem Fraunhofer ICT.
Den zweiten Platz erreicht die CFK-Leichtbau-Frontklappe in Wagenfarbe mit Sichtcarbonflächen von BMW, bei dem das Verstärkungsbauteil erstmalig in die Frontklappe integriert ist. Dritter in dieser Kategorie ist der leuchtende Nierenring, der für den 7er BMW entwickelt worden ist. Hierbei wurde erstmals ein unbeschichtetes PC-Copolymer im Exterieur eingesetzt, das als Lichtaustrittsfenster für den dahinterliegenden Lichtleiter dient.
Andreas Weinmann von Kuraray übergibt den Award in der Kategorie Electronical/Optical Parts an Haldex Brake Products für ein elektropneumatisches Bremssteuerungsmodul. Das Bauteil vereint sieben bislang voneinander unabhängige Module, die die Bremsanlage, die Notbremsanlage, das Antiblockiersystem, das Fahrwerk und weitere Funktionen steuern. Der Modulträger, an dessen Entwicklung EMS-Chemie und KB Components mitgewirkt haben, muss zudem zuverlässig dem immer wiederkehrenden Kontakt mit Straßensalz, Diesel, alkalischem Waschmittel, Bremsflüssigkeit, Kühlmittel und Lösungsmittel standhalten.
Den zweiten Platz belegt das Mikrolinsen-Array für den Scheinwerfer des Lucid Air. Für das adaptive Kurvenlicht werden 42 einzeln adressierbare LED-Matrix-Segmente verwendet. Richtungswechsel des Lichts werden erstmals nicht durch mechanische Bewegung, sondern durch digitale Ansteuerung der LEDs erzeugt. Auf dem dritten Platz landet ein Inverter-Modul von Robert Bosch, für das ein Polyphenylensulfid mit einer Temperaturwechselbeständigkeit zwischen -40 °C und + 200 °C, einer hohen thermischen und chemischen Stabilität sowie einer geringen Wasserabsorption verwendet wird. Vierter in dieser Kategorie ist das Sicherungskasten-Gehäuse von Interplex. Den fünften Platz erringt eine elektrische Ladeklappe von Weber Dillenburg.
Weiter geht es mit der Kategorie Power Train, die von Lyondell Basell gesponsert wird. Den Award gewinnt ein Klappenmodul von ROS Coburg, bei dem werkzeugfallend ein Bauteil mit beweglichen Komponenten in einem einzigen Fertigungsschritt hergestellt wird. Zwei inkompatible Hochleistungskunststoffe sind in einem Hochtemperaturwerkzeug so zu kombinieren, dass die definierten Verstellkräfte bei äußerst geringem Lagerspiel nicht überschritten werden. Die Werkstoffe haben DIC Europe und Evonik Industries bereitgestellt.
Auf Platz zwei landet ein Fußschalthebel von 2R Kunststofftechnik. Um eine Kontaktkorrosion zwischen den leitfähigen Materialien und der recycelten Kohlefaser zu vermeiden, müssen Gewindebuchsen etc. elektrisch entkoppelt werden. Dafür werden sie zunächst mit einem glasfaserverstärkten Polyamid ummantelt und danach mit Polyarylamid umspritzt. Den dritten Platz belegt ein 2K-Dichtgehäuse von ROS Coburg, das mehrere Funktionen in einem Hybridbauteil vereint.
Sieger in der von Almaak International gesponserten Kategorie New Mobility ist eine elektrische Wasserpumpe von Hella, die für eine Lebensdauer von mehr als 30.000 Stunden (!) ausgelegt ist. Die Grivory-Kunststoffe müssen dabei Kühlmitteltemperaturen von -40 bis +90 °C standhalten und das bei zum Teil mehr als verdoppelten Volumenströmen. Für das Flügelrad und die Leiterplattenabdeckung zeichnet Friedrich & Rath verantwortlich.
Zweitplatzierter ist ein Cooling Fan, eingereicht von Robert Bosch. Dabei gelang es erstmalig, durch Kombination mehrerer konstruktiver Anpassungen und durch eine Reihe von Simulationen einen geräuschoptimierten, leistungsstarken Axiallüfter aus low creep PP-GF von Lyondell Basell mit umlaufendem Dichtband zu realisieren. Dritter in dieser Kategorie wird ein Verbindungsring aus Polyphenylensulfid von Solvay Specialty Polymers, der die elektrische Verbindung zwischen Statorwicklungen und EV-Traktionsmotor herstellt.
Aus den Händen von Torsten Mehler, EMS-Chemie, erhält Boge Elastmetall den Award in der Kategorie Chassis Unit / Structural Component für die vordere Querbrücke der Mercedes-Benz C-, E- und S-Klasse. Das Leichtbauteil zeigt eine einzigartige Materialkombination aus PA 6 GF60 der Akro-Plastic, Aluminiumblech und Gummilager. Letztgenannte werden nach dem Spritzprozess eingepresst und dabei im Durchmesser reduziert. Das Bauteil weist eine Quersteifigkeit von 25 kN auf.
Platz zwei geht an die Vollthermoplast-Heckklappe des VW-Transporters T7 von Magna Exteriors, die allen geforderten statischen und dynamischen Belastungen standhält und eine hohe Formstabilität bietet. Dritter wird der Unterboden des Lucid Air von Faurecia Clean Mobility, der gleichzeitig als ballistischer Schutzschild für die Akkus dient. Er stellt einen wichtigen Lastpfad in Frontal-Crashtestfällen bereit und schützt Fahrgastzellen auch bei seitlichem Aufprall.
Das pentatonische Batteriegehäuse für Elektrofahrzeuge von Kautex Textron erhält den Award in der Kategorie Enabler Technology, die von DSM gesponsert wird. Das Bauteil wird in einem einstufigen Direct-Long-Fiber-Thermoplastic-Formpressverfahren aus Polyamid mit Glasfaserrovings von Lanxess hergestellt. Der CO2-Fußabdruck des Packs reduziert sich im Vergleich zu Aluminiumgehäusen um durchschnittlich 55 %.
Platz zwei geht an Contitech für ein Kühlmittelleitungssystem für E-Mobility-Anwendungen. Sie wurde aus einem PP-Monomaterial als kraftschlüssige und mediendichte Verbindung ohne zusätzliche Elemente realisiert. Dritter wird das Pumpenzahnrad aus Polyamidimid von High3P. Das konstruktiv noch nicht optimierte Polymerteil ist im kritischen Leerlauf und bei niedrigen Motordrehzahlen um 3 bis 5 Dezibel leiser. Auf dem vierten Platz landet der Hybrid-Demonstrator von High3P, der eine thermoplastische Matrix verwendet. Platz 5 belegt ein Crash-Panzer aus einem Polyphthalamid von Solvay, der dem Schutz der Batterie in Hybrid-Fahrzeugen dient.
Zum zweiten Mal verliehen werden die Nachhaltigkeits-Awards, erneut unterstützt von Lyondell Basell. Klarer Sieger ist der Halter Soundgenerator von Pöppelmann Kunststofftechnik. Für das Bauteil wird erstmals Post-Consumer-Recyclat aus dem „Gelben Sack“ verwendet, was sehr große Eigenschaftsschwankungen aufweist. Durch gezielte Anpassung des Recyclates bei Alba Recycling und durch eine angepasste Prozesssteuerung im Spritzgussverfahren lässt sich das Material jedoch prozesssicher verarbeiten.
Ebenfalls anteilig aus PCR aus dem „Gelben Sack“ ist das Innenverkleidungsteil gefertigt, das Borealis eingereicht hat. Alle Anforderungen der OEM an flüchtige Stoffe und Geruch werden erfüllt. Dritter Nachhaltigkeits-Preisträger ist der Tragarm für BMW-Fahrzeuge von Akro-Plastic und Grammer. Das kohlefaserverstärkte PET zeichnet sich durch eine sehr hohe Steifigkeit aus. Im Vergleich zum Aluminium-Bauteil beträgt der CO2-Fußabdruck bei dem kohlefaserverstärkten PET-Tragarm gerade einmal ein Achtel!
Zum Abschluss werden traditionell die innovativsten Einreichungen geehrt. Zum Innovation Award gratuliert Sponsor Matthias Grafe dem Laborbereich Kunststofftechnik der HS Osnabrück: Sie haben ein Spin-Molding-Verfahren entwickelt, dass es ermöglicht, die Faser- und Molekülorientierung in Tangentialrichtung gezielt zu beeinflussen. Dadurch können innendruckbelastete Bauteile hergestellt werden, die nach Einlagerung in ein Wasser-Glykol-Gemisch die gleichen Festigkeiten aufweisen wie Bauteile ohne schwächende Bindenaht.
Über den Grand Innovation Award freut sich Rheinmetall Invent. Dr. Oliver Neuß von Akro-Plastic überreicht ihn für eine GFK-Mäanderfeder. Sie ist auf Basis eines für unidirektionale Fasern entwickelten Biegefeder-Konzeptes durch konstruktiven Leichtbau optimal an die im Fahrwerk vorherrschende Kinematik angepasst. Dank der hohen Eigendämpfung des Epoxid-Glas-UD-Prepregs reduziert sie zudem Geräusch und Vibrationseffekte.
Gesamtsieger des Automotiv Award 2022 wird ein Interior-Bauteil. Die funktionalisierte Designblende von Kostal Automobil Elektrik besteht aus einer Kombination aus Teilfolien und Polyurethan und ersetzt ein Bauteil mit ganzflächiger Folie. Die Substitution der vollflächigen durch Teilfolien bedeutet über die geplante Produktionsdauer, dass 93 % weniger Folie benötigt werden, das entspricht der Größe von etwa 96 Fußballfeldern, und 93 % weniger Lösemittel, was zwei Tanklastzügen entspricht.
Dass es den Automotive Award gibt und er auch nach 30 Jahren zu den begehrtesten Preisen der Kunststofftechnik gehört, ist ganz besonders Dr.-Ing. Klaus-Dieter Johnke zu verdanken. Der im September gewählte neue Vereinsvorstand verleiht ihm deshalb die Ehrenpräsidentschaft der Internationalen Gesellschaft für Kunststofftechnik / SPE Central Europe. In seiner Laudatio blickt Bernard Rzepka auf die Höhepunkte von Klaus-Dieter Johnkes Wirken für den Award und den Verein zurück.
Der Automotive Division Award, den die Internationale Gesellschaft für Kunststofftechnik / SPE Central Europe., seit 1992 anderthalbjährlich ausschreibt, ist in der Branche wegen der hohen Qualität der Einreichungen und der objektiven Bewertungskriterien bekannt. Der SPE Automotive Award wurde und wird von namhaften Unternehmen der Kunststoffbranche unterstützt, in diesem Jahr von Akro-Plastic GmbH, Almaak International GmbH, DSM Engineering Plastics, EMS-Chemie AG, Grafe Advanced Polymers GmbH, Kuraray Co. Ltd., Lyondell Basell Industries und Solvay Specialty Polymers. Die Getränke für das Networking nach der Preisverleihung hat Nexeo Plastics gesponsert. Der Wettbewerb wird zudem von der K-ZEITUNG sowie den Fachzeitschriften GAK-Magazin, PU-Magazin und TPE-Magazin unterstützt.
Eine Übersicht über alle Einreichungen zum Automotive Award 2022 hat die SPE online zur Verfügung gestellt. Ursula Mellema/gk