Meridian 857 Reference - Endverstärker, Stereoendstufe - Test fairaudio

2023-03-08 17:57:20 By : Mr. Junrong Fu

Es gibt bestimmt eine Menge Aufgaben, die mit umfänglicheren kreativen Freiheitsgraden einhergehen als ausgerechnet einen highfidelen Endverstärker optisch zu gestalten. Eine Rückseite mit praxisgerechter Topologie einiger weniger Anschlüsse und Schalter, Kühlrippen links und rechts an den Flanken, ein humorloser Gehäusedeckel, den bei teureren Geräten höchstens mal eine Gravur zieren darf – und als Highlight eine massiv-metallene Frontplatte, die, allenfalls von einem einsamen Display und Schalter bevölkert, insbesondere mittels ihrer „Dicke“ von sich reden machen darf.

Nun, mit einer aus dem Vollen gefrästen Frontplatte kann unser aktueller Proband – der Meridian 857 Reference (https://audio-reference.de) ­–  gerade nicht aufwarten. Dafür mit einer vergleichsweise komplex geformten, fast schon hohlkörperartigen, verwindungssteifen und sicherlich ebenfalls Resonanzen im Zaum haltenden Frontpartie aus nur wenige Millimeter starkem Aluminiumblech. Diese Frontpartie ist wie der Rest des ohne sichtbare Kühlrippen und – um magnetische Einstreuungen zu minimieren – Eisenbestandteile auskommenden Alu-Kleids in dezentem Mattschwarz gehalten. Für Glanzpunkte oder besser Glanzflächen sorgen die auf dem Deckel und der Frontplatte platzierten Glasplatten. Der Klopftest mit den Fingerknöcheln auf Deckel und Seitenteile des Meridian 857 Reference fällt übrigens löblicherweise ziemlich sonor und kurz-trocken aus – der Einfluss von „Gehäuseklingeln“ auf den Klang von Verstärken ist ansonsten nicht zu unterschätzen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Schöner schalten – im Regelfall blau oder grün illuminiert

Über Geschmack lässt sich wie immer streiten, mir persönlich gefällt das unaufgeregt-zeitlose, dennoch ziemlich unverwechselbare, stylishe Design des Meridian 857 Reference extrem gut. Selbst in Schwarz – bin ich doch sonst eigentlich kein Fan von solchen Düstermännern, die bei ungünstigem Licht eher schwarze Löcher ins Rack reißen als dass sie nach irgendetwas Wohldefiniertem aussehen würden. Laut Meridian lassen sich gegen Aufpreis aber freilich auch individuelle Farbwünsche erfüllen.

Das Sahnehäubchen des Designkozepts ist schlussendlich das als berührungsempfindlicher Ein/Aus-Schalter ausgeführte Meridian-Logo im Zentrum der Front, welches man im Normalfall blau (Standby) oder grün (Betrieb) illuminiert zu Gesicht bekommen wird, die Farben rot oder orange kommen dagegen ausschließlich bei Überlast beziehungsweise aktivem Lüfter zur Geltung, letztere ist für thermisch anspruchsvolle Umgebungen (zum Beispiel Schrank- oder Rackeinbau) relevant, den Meridian 857 gibt’s nämlich auch in einer speziellen Rack-Mount-Variante mit variabler Lüftersteuerung. Ansonsten geht es mit dem 857er nicht allzu heiß her, selbst nach Hörrunden, bei denen ich die Membranen meiner Sehring 903 schon ziemlich fordernd in Wallung brachte, würde ich eher von einem handwarmen Amp sprechen.

Der Meridian 857 Reference im Standby

Treiben vagabundiere Gleichspannungen ihr Unwesen oder schließt man versehentlich die Ausgänge kurz, schickt eine integrierte Schutzschaltung den Engländer in den Schlaf – durch einen beherzten Druck auf den heckseitigen harten Netzschalter und anschließendes erneutes Einschalten nimmt er seine Arbeit wieder auf, sofern man natürlich zuvor den auslösenden Fehler beseitigt hat.

Im Standby bleiben klangrelevante Schaltungszüge des Meridian 857 Reference übrigens unter Spannung (zirka 17 Watt werden dazu benötigt), um nach dem Scharfschalten ohne Aufwärmzeit sofort die volle Klangqualität fahren zu können – und ohne, dass ich jetzt extra die Fledermausohren aufgesetzt hätte, sind mir bei „Kaltstarts“ auch keinerlei Einschränkungen aufgefallen.

Mechanisch sehr hochwertig ausgeführte Schnittstellen in Form eines Bi-Wiring-Terminals sowie Cinch- und XLR-Buchsen inklusive Drehschalter zur Eingangswahl. Ein weiterer Drehschalter erlaubt den Brückenbetrieb, der Meridian leistet dann in Mono bis 1,5 kW/4 Ohm

Das Schaltungskonzept des 857 Reference beruhe nicht zuletzt auf „dem Verständnis psychoakustischer Prinzipien des menschlichen Gehörs“, so Meridian. Unter anderen komme ein neuentwickeltes lineares Netzteil zum Tragen, das den Schutz von Störkomponenten aus dem Stromnetz optimiere, aber auch eine verbesserte Haltbarkeit gewährleiste. Der von insgesamt 80000 µF flankierte, handgewickelte Ringkerntrafo ist mit fünf Sekundärwicklungen ausgerüstet, um eine größtmögliche Isolation zwischen Low-Power- und High-Power-Sektionen sicherzustellen – bis zu stramme 1600 Watt sollen insgesamt bereitgestellt werden können. Das mehrlagige Platinenkonzept beherbergt dank DC-Kopplung keine unnötigen Kondensatoren in den unmittelbaren Signalwegen. Beil alldem setze man auf eine möglichst geringe Gegenkopplung, erreiche aber gleichwohl eine sehr anständige Verzerrungsarmut (<0.04% THD) und – gleichbedeutend mit einem hohen Dämpfungsfaktor – niedrige Ausgangsimpedanzwerte: Letztere sind wie bei allen Verstärkern frequenzabhängig und liegen beim Meridian 857 Reference bis hoch zu 1 kHz ungefähr bei 20 Milliohm, um dann gleichmäßig auf 50 Miliohm @50 kHz anzusteigen. Werte, die auf eine kontrollierte, lautsprecherlastunabhängige Spielweise schließen lassen.

Die bis 100 kHz (-/+ 2 dB) reichende Bandbreite des Meridian 857 geht nicht gerade als „ultraschnell“ durch und bewegt sich eher im Rahmen des Üblichen, passt aber zu einem gegenkopplungsarmen Schaltungskonzept. Das übrigens vollsymmetrisch ausgeführt ist: Signale, die via Cinch-Eingang zugeführt werden, erfahren vor ihrer Weiterverarbeitung zuallererst eine Vorbehandlung von einer, so Meridian, „Superbal-Technologie“, werden also schlichtweg symmetriert. Die am anderen Ende des Verstärkers am Bi-Wiring-Terminal anliegenden Spannungen und Ströme multiplizieren sich dann im Bedarfsfall zu sehr sportlichen 2 x 250 Watt/8 Ohm beziehungsweise sauber gegenproportional zur Impedanz anwachsenden 2 x 500 Watt/4 Ohm, was auf eine gute Laststabilität deutet . Bei aller Potenz gibt sich der Meridian 857 an der Steckdose löblich bescheiden, im Leerlauf zieht er sich unter 40 Watt aus der Wand, ein guter Wert für einen solchen Endverstärkerboliden.

So monochrom tiefschwarz das Gewand des Meridian auch gefärbt ist: Mit Klangfarben geizt unser Endstufen-Darth-Vader keineswegs. Vielmehr verwöhnt er den Hörer mit gefällig-kräftigem Pinselstrich, da sollten – um zu Beginn gleich mal in der Klischeekiste zu wühlen – durchaus auch Röhrenfans auf ihre Kosten kommen: So warten Violine, Piano oder Kontrabass auf Works with Pianos des griechischen Komponisten Iannis Xenakis (auf Amazon anhören, Tipp für Freunde „fordernder“ Musik) mit angenehm vollmundigem, sonorem Duktus auf. Ein zu dünnes, anämisches Klangbild steht mit dem Meridian 857 Reference schon mal nicht zu befürchten, ohne allerdings, dass es dabei gleich in die entgegengesetzte Richtung ausschlüge beziehungsweise in Sachen Mittentonalität merklich neutrale Pfade verlassen würden.

Ein schöner Testtrack für die Mitten- und Stimmwiedergabe ist „Eremite“ von Pink Turns Blue: Ein aufnahmetechnisch wertig eingefangenes Stück mit einem Sänger, der – zunächst vornehmlich nur von monotonem Schlagzeug und dezentem Orgelteppich begleitet –  inbrünstig, aber mit noch vergleichsweise kontrollierter und sonorer Bruststimme startet, um dann im Laufe des Titels zunehmend in eine kehligere, hysterischere und hellere Kopfstimme zu wechseln.

Dass sich der Gesang über den Meridian 857 Reference sehr rein sowie eindrucksvoll organisch „nach Fleisch und Blut“ anfühlt, fällt zum einen ins Ohr. Zum anderen, dass der ganz allmählich verlaufende Wandel von Brust- zur Kopfstimme zwar nicht haarklein durchanalysiert wird, sich aber dennoch schlüssig und merklich vollzieht. Diese angenehm „untechnisch“ anmutende Spielweise verantwortet logischerweise nicht ausschließlich der Meridian, sondern meine gesamte Kette, gleichwohl schlagen die Charakterzüge unseres Probanden in meiner Anlage hörbar durch: Hörer, die auf eine farbig-substanzielle, geschmeidige, im Zweifelsfall eher warme denn vordergründig transparente, aber keinesfalls dick auftragende Mittendarbietung stehen, werden mit dem Meridian 857 schnell Freundschaft schließen.

Auch in Sachen Hochton, der tonal gegenüber meinen bis in den Superhochton linear durchziehenden Monos Bryston 7B³ (12.000 Euro) leicht zurückgenommen wirkt, befinden sich genießerische, auf Langzeittauglichkeit bedachte, gleichwohl keine Schönfärberei duldende Hörer auf der sicheren Seite. Die sich tonal jede Extrawärme verkneifenden Bryston – aufgrund ihrer phänomenalen und eben nicht klinisch wirkenden Reinheit ebenfalls absolut langzeittauglich – differenzieren die mittleren und oberen Lagen noch klarer, muten insgesamt luzider an, was nicht zuletzt zu einem anmachenderem, strahlenderem, etwas weniger heimeligen Klangbild führt.

Was mich daher schon etwas überrascht und zeigt wie geschickt der Meridian von seinen Schöpfern abgestimmt wurde: Objektiv gehen mit dem 857er keinerlei Details verloren, unterzieht man ihn entsprechend erbsenzählerischen A/B-Vergleichen. Selbst das in Noise Units „In Vain“ (Album: Response Frequency, auf Amazon anhören) auf dem rechten Kanal zu hörende, ganz leise Klickgeräusch – wohl versehentlich mitgesampelt – liefert der Meridian 857 genauso haarscharf an der Wahrnehmbarkeitsschwelle ab wie das hochauflösende kanadische Mono-Gespann. Allenfalls einen Hauch matter gezeichnet, was an der beschriebenen tonalen Abstimmung des Meridian liegen wird.

Etwas überspitzt zusammengefasst: Die Bryston 7B³ zählen zu den Amps, mit denen man sich gefesselt und aufrecht sitzend auf dem Hörsofa wiederfindet, was im Übrigen auch ein Genuss ist, der vollmundigere Meridian scheint den Ein- und Ausschwingvorgängen in der Musik zwar nicht ganz so akribisch auf der Spur zu sein, lädt aber zum schwelgerischen Hören und entspannten Fläzen im Ohrensessel ein, ohne – und das ist die besondere Kunst des Meridian 857 Reference – dabei zu betulich oder gar unpräzise zu werden.

Dazu passt, dass der Bass eine fundierte, noch in neutralen Bereichen angesiedelte Wärme aufweist und wohlgestaltet trocken, aber – verglichen mit den Bryston 7B³ oder meinen verflossenen nuForce Reference 20 – das allerletzte Quäntchen brettharter Definition lieber zugunsten einer kleinen Prise Fluss und Beweglichkeit eintauscht. Auch hier gilt wieder: Mit Blick auf die Stärke der Ausprägung eine insbesondere bei A/B-Vergleichen herauszuhörende Tendenz, die beim „normalen“ Hören eher unterschwellig der gefühlten Musikalität förderlich sein kann, wenngleich ich persönlich die betont definiert-straffe Gangart meiner Monos schon sehr schätze.

Grobdynamische Wucht, Tiefgang, Pegelfestigkeit – bei diesen handfesten, insbesondere für höherpreisige Endstufen nicht selten kaufentscheidenden Kriterien geht der 2 x 250 Watt an 8 Ohm starke Meridian 857 Reference standesgemäß humorlos zur Sache: Die tiefen Bassbeats der Dub-Step-Combo Kode 9 (Abum: Black Sun) schleudert unser Proband genauso vehement, sogar noch ein bisschen massiger in Richtung Trommelfell als die dafür noch etwas fokussierter auf den Punkt hämmernden, 2 x 600 Watt leistenden Bryston.

Den ultimativen Probelauf zum Thema Pegelfestigkeit brach ich schließlich ab, weil die Sorge sowohl um mein Trommelfell als auch die Tieftöner meiner eigentlich extrem pegelfesten Sehring 903 letztlich doch größer waren als die Neugier. Was aber letztlich nur bedeutet: In Sachen „Energie“ sollte man mit dem Meridian auch für extremere Anwendungsfälle hinreichend gewappnet sein.

Kaum Unterscheide zu meinen Monos nehme ich in Sachen Räumlichkeit wahr: Das Klangbild löst sich hervorragend von meinen Sehring 903 – die ebenfalls sehr räumlich und plastisch zeichnen – und auch Ortungsschärfe sowie Plastizität sind auf absolutem High-End-Niveau. Okay, vielleicht ist das auch bloße Pflicht für einen Endverstärker dieser Preisklasse, als Kür geht dann aber durch – und das ist eine Eigenschaft, die ich besonders schätze – wie kohärent der Meridian 857 zeichnet. Es ist fast ein bisschen schwer zu beschreiben, aber jeder, der diesen „Effekt“ von seiner Anlage schon einmal vor Ohren geführt bekam, weiß sofort, was ich meine: Dieses Gefühl, den komplexen Klang eines Instrumentes derart schlüssig zusammenhängend als Einheit definiert in den Hörraum modelliert zu bekommen, dass die Illusion eines realen Instruments so unglaublich perfekt gerät, dass es einen fast aus der Musik reißt. Ein Beispiel: „Eremite“ von Pink Turns Blue wird unter anderem von einer metallischen Perkussion geprägt, die so authentisch rüberkommt, dass es auch nicht livehaftiger klingen würde, wenn jemand neben meinen Lautsprechern säße und mit einem großen Schraubenzieher auf das benachbarte Heizungsrohr schlüge.

Das Beispiel mutet vielleicht etwas schlicht an, doch gerade solche „wilden“ Geräusche sind nicht zuletzt mit Blick auf die Ein- und Ausschwingvorgänge hochkomplex, Phasenkohärenz und generell Verzerrungsarmut sind hier unter anderem wichtige technische Stichwörter. Klar müssen da auch die Aufnahmequalität und der Rest der Anlage stimmen, der Meridian 857 Reference selbst ist in dieser Sache gleichwohl jederzeit lieferfähig.

Hinein in den Meridian 857 Reference geht’s per Cinch oder XLR – direkt darunter der Drehschalter zur Eingangswahl

Dass meine deutlich teureren Bryston 7B³ noch transparenter und dynamisch zackiger anmuten und zudem hochtonseitig bis in allerhöchste luftige Gefilde durchzeichnen, hatte ich oben bereits hier und da erwähnt. Dennoch absolut frei von unangenehmer Analytik und Härte, sind sie unterm Strich für mich objektiv die noch etwas avancierter ausentwickelten Amps, wenngleich die klanglichen Unterschiede zum etwas gefälliger und wärmer abgestimmten Meridian subjektiv durchaus als Geschmackssache durchgehen können. Auch der hochpräzise, neutrale Krell Duo 300 (9.500 Euro) tönt luzider und feindynamisch markanter, ist zudem mit einem überragenden, ausnehmend definierten Bassbereich gesegnet – den besonderen musikalischen Charme, die Klangfarben, den Schmelz des Meridian bietet der sachlichere Amerikaner in dieser Güte aber nicht. Der impulsive, dynamisch noch etwas attackigere NuForce Reference 20 (7.800 Euro) kann in dieser Sache mit unserem Probanden ebenfalls nicht mithalten, mit Blick auf den Hochton fadet der Meridian nach ganz oben hin zudem etwas bruchloser, feingeistiger aus. Engere Verwandtschaft herrscht dagegen zum ebenfalls schön geschmeidigen und mit tollen Klangfarben gesegneten AVM Ovation SA 6.2 (7.500 Euro), den ich persönlich ebenfalls sehr mag – aus der Erinnerung heraus würde ich den Meridian aber feindynamisch als noch einen Tick anmachender und insgesamt etwas „griffiger“ tönend einschätzen.

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